Wasserschaden bei undichten Silikonfugen

Interessant ist folgendes Urteil, wenn es um die Frage geht, ob die Versicherung den Schaden übernehmen muss, weil die Gerichte unterschiedliche Auffassungen vertreten: 

OLG Schleswig, Urteil vom 11.06.2015 – 16 U 15/15

Hier ist von einem versicherten Schaden auszugehen, gleichviel, ob nun das Wasser durch die Silikonfuge zwischen Badewannenrand und Fliesenunterkante in die Wand eingedrungen oder ob es durch die womöglich schon recht alten Fliesen in die Wand gelangt ist.

a) Ob in dem Fall, dass nicht unmittelbar eine wasserführende Leitung betroffen ist, sondern das Wasser in einer Dusch- oder Wannenecke „durch die Wand“ gelangt ist, ein Versicherungsfall anzunehmen ist oder nicht, ist streitig.

Teilweise (LG München, VersR 2010, 1180, Rn. 16 f. bei juris; AG Aachen, Urteil vom 10. Juli 2013, 119/13 Rn. 16 bei juris) wird das verneint. Wasser, das beim Duschen in die Wand gelange, sei kein bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser, sondern stelle bestimmungsgemäß benutztes Brauchwasser dar. Schon eine Wanne stelle kein Element des versicherten Leitungssystems dar, sondern sei ein offenes Bauteil, vor welchem das Frischwasserzuleitungssystem ende und an welches sich dann das Abwasserableitungssystem anschließe; dazwischen sei das Wasser bestimmungsgemäß in den freien Raum ausgetreten, um dort verwandt zu werden.

Nach der Gegenauffassung (OLG Frankfurt, VersR 2010, 1641, Rn 14 bei juris; LG Hamburg,  RuS 2013, 610, Rn 26 bei juris; AG Düsseldorf, VersR 2002, 481; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage, E 1 Rn 36) liegt auch in einem solchen Fall ein Versicherungsfall vor. Das Wasser gelange bestimmungswidrig in die Wand, weil der Verlauf subjektiv und wirtschaftlich nicht der Bestimmung durch den Versicherungsnehmer entspreche und verursache dort einen Schaden. Zu den mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen gehörten auch Duschbecken und Duschkabinen. Dieser Qualifikation stehe nicht entgegen, dass sich Duschkabinen (typischerweise) aus einer Duschtasse und ein oder mehreren gefliesten Zimmerwänden zusammensetzten. Ein homogenes Material sei nicht erforderlich. Es genüge, wenn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens eine Sammelbezeichnung für verschiedene Einzelteile gebrauche, weil er diese als zusammengehörig und als Einrichtung empfinde.

Die zweitgenannte Auffassung verdient den Vorzug. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der die Versicherungsbedingungen aufmerksam und verständig im Hinblick auf den Sinnzusammenhang und nicht zuletzt auch mit Rücksicht auf seine eigenen Interessen liest, wird davon ausgehen, dass ihn eine Wohngebäudeversicherung im Hinblick auf Leitungswasserschäden vor allen Gefahren schützen will, die für sein Haus durch die Tatsache geschaffen werden, dass in diesem für die täglichen Bedürfnisse Wasser benutzt wird, das in Zuleitungen einer Verbrauchsstelle zugeführt und in Ableitungen von dort wieder weggeführt wird. Er wird daher erwarten, dass das gesamte technische Standard-System, in dem sich planmäßig und geordneterweise die Benutzung von Wasser in seinem Haus zuträgt, gegen Schäden geschützt wird, die nässebedingt in der Umgebung dieser Nutzungsstellen auftreten können und auftreten. In diesem Sinne wird er die Gesamtheit der Anlagen, die einen derart „eingehegten“ und geschützten Wasserverbrauch ermöglichen und sichern, als versichert ansehen, und er wird neben den Zu- und Ableitungsrohren selbst auch die Gesamtheit einer Dusche mit Kabine oder einer Badewanne mit gefliesten Wänden als eine mit den Zu- bzw. Ableitungsrohren der Wasserversorgung verbundene Einrichtung i. S. von Ziffer 6.1.2 der Bedingungen verstehen. Demgegenüber muss es sowohl im Hinblick auf den wohlverstandenen Schutzzweck der Versicherung als auch auf die Beschreibung des Leitungswassersystems in Nr. 6 als künstlich erscheinen, als Leitungswasser nur als dasjenige Wasser begreifen zu wollen, das in Rohren, Rinnen oder Abläufen in irgendeiner Weise (eng-)geführt bzw. explizit zu- und abgeführt wird, und dazwischen einen – ungeschützten und unversicherten – Bereich anzunehmen, in dem das Wasser „bestimmungsgemäß“ im freien Raum zirkuliere. ….

 

Das vollständige Urteil ist zu finden unter https://openjur.de/u/830452.html